Ich beschäftige mich seit Jahren mit Stellenanzeigen und mit den Karriereportalen großer Konzerne – teils berufsbedingt, teils privat. Für empfindsame Gemüter ist das nichts, denn je höher die Ansprüche an die Bewerber sind, desto schlechter formuliert sind in der Regel die Stellenanzeigen und desto schwieriger zu navigieren sind die Karierreseiten, die Online-Stellenbörsen und die Bewerbungsportale.
Einen sehr guten Beitrag dazu gibt es aktuell auf Personalmarketing2Null: Bewerbungstipps für Arbeitgeber.
Natürlich kann man es mit viel gutem Willen als Hilferuf auslegen, wenn in Stellenanzeigen fehlerfreies Deutsch verlangt wird, die Anzeigen selbst aber mit Rechtschreibfehler prunken, die man beim besten Willen nicht als Tippfehler schönreden kann; man kann auch Bewerbungsportale, die es einem schwer machen, die Unterlagen hochzuladen, als ersten Test für den Einfallsreichtum und das Durchhaltevermögen der Bewerber interpretieren. Oder man nennt die Dinge beim Namen, in diesem Fall lautet der: Armutszeugnis.
Hier greift das Employer Branding: Wo sich Ihr Unternehmen mit Marketing-Maßnahmen für potenzielle Kunden möglichst positiv darstellt, tut Employer Branding dasselbe – aber eben für potenzielle Bewerber. Wieso Sie das tun sollten? Weil Sie die besten Mitarbeiter für Ihr Unternehmen wollen!
In mir ist schon vor langem die Vermutung gewachsen, dass der vielbeschworene Fachkräftemangel zu etwa 80 % daran liegt, dass die Unternehmen interessierten Kandidaten die Bewerbung so schwer wie möglich machen.
Das fängt schon damit an, das Stellenanzeigen derart unklar und verschwurbelt formuliert sind, dass noch nicht einmal die Idealbewerberin erkennen kann, dass sie damit gemeint ist. Vor kurzem hatte ich das sogar im eigenen Umfeld erfahren: Ein Unternehmen, das ich sehr schätze und bei dem ich selbst auch Kundin bin, hat eine Stellenanzeige veröffentlicht, bei dem die Anforderungen auf mindestens zwei komplett unterschiedlich ausgebildete Personen passen, während der aufwändig dargestellte Aufgabenbereich ganz klar der von mindestens vier Mitarbeitern unterschiedlicher Fachgebiete wäre.
Wie Henner Knabenreich im oben verlinkten Artikel sehr richtig schreibt: Vom Bewerber werden Dinge erwartet oder verlangt, für die ein Arbeitgeber erst einmal mit gutem Beispiel voran gehen müsste.
“Employer Branding” ist ein bisschen ein buzzword, aber stellen Sie sich doch einfach einmal die Frage: Wenn eine ordentliche Bewerbung und ein sauberes Outfit im Vorstellungsgespräch die Visitenkarte des Bewerbers sind – was sind dann schlampige Stellenanzeigen und achtlos gemachte Karriereseiten?
Wenn Sie als Unternehmen Ihren Bewerbern keine Wertschätzung entgegenbringen, tut es vielleicht Ihr Konkurrent.