Ja, Tragfähigkeit ist nicht nur für Gebäude wichtig, sondern auch für Gründungsunternehmen. Ist ja klar, dass Arbeitsagentur und Jobcenter nichts unterstützen wollen, das keinerlei realistische Erfolgsaussichten hat.
Für meinen Antrag auf Unterstützung verlangte das Jobcenter sogar zwei Bescheinigungen, einmal den ausgefüllten Vordruck, und einmal eine schriftliche Stellungnahme der „fachkundigen Stelle“.
Was steht in der Tragfähigkeitsbescheinigung?
- Wurden alle erforderlichen Unterlagen vorgelegt? (Kurzbeschreibung des Existenzgründungsvorhabens, Lebenslauf und Zeugnisse, Kapitalbedarfs- und Finanzierungsplan, Umsatz- und Rentabilitätsvorschau, ggf. Begründung der letzten Geschäftsaufgabe)
- Sind die spezifischen Voraussetzungen für das Vorhaben gegeben? (in fachlicher und branchenspezifischer Hinsicht, in kaufmännischer und unternehmerischer Hinsicht, Zulassungsvoraussetzungen wie Konzession, Eintragung ins Handelsregister oder in die Handwerksrolle o.ä.)
- Zum Vorhaben selbst: Ist das Angebot konkurrenzfähig? Schätzt die Existenzgründerin die voraussichtlichen Umsätze/die Betriebsergebnisse vor Steuern/den Kapitalbedarf realistisch ein? Kann das zu erwartende Einkommen der Existenzgründerin voraussichtlich eine ausreichende Lebensgrundlage bieten? Bestehen an der Selbständigkeit Zweifel (hier geht es um Scheinselbständigkeit)? Erscheint mit dem Vorhaben der Aufbau einer tragfähigen Existenzgründung realisierbar?
Das wird von der ominösen „fachkundigen Stelle“ ausgefüllt, die dasselbe dann gleich auch noch in Textform bestätigen darf (offiziell heißt das „zusammenfassende Beurteilung“). Voraussetzung für die Bestätigung sind natürlich ein solider Business- und ein Finanzplan.
Was ist eine „fachkundige Stelle“?
Dafür gibt es mehrere Möglichkeiten: Industrie- und Handelskammern, Handwerkskammern, berufsständische Kammern, Fachverbände und Kreditinstitute können fachkundig im Sinne des Antragsverfahrens sein, ebenso wie Steuerberater und Unternehmensberater. Am besten ist es, man fragt direkt beim Jobcenter nach, welche Fachleute bzw. Einrichtungen etc. anerkannt sind und die Bestätigung liefern können.
Ich hatte das sehr große Glück, dass ein Freund mir gleich am Anfang empfohlen hat, mich von den Aktivsenioren beraten zu lassen. Beim ersten Termin stellte sich zufälligerweise heraus (soll heißen: ich wusste das vorher nicht), dass sie auch als fachkundige Stelle beim Jobcenter anerkannt sind.Mein persönliche Aktivsenior, Herr W., war damit praktischerweise mein Ansprechpartner für alles. Ich bekam sozusagen den Komplettservice aus einer Hand.
Rückblickend wird mir klar, was für einen guten Griff ich mit den Aktivsenioren getan habe. Herr W. ist nicht nur ein echter Profi, mit viel Erfahrung, sondern er war mir auf Anhieb sympathisch. Das mit der Sympathie ist wichtig, jedenfalls für mich, denn Kritik, unschöne Wahrheiten etc. kann ich von Leuten, die ich nicht mag, nur schwer annehmen und umsetzen. Eigentlich kann ich die dann gar nicht annehmen.
Zudem muss ich ehrlich sagen, mit dem Finanzplan lässt man schon irgendwie wie Hosen runter, da muss man nämlich gnadenlos alles angeben, was man an Ausgaben hat. War für mich nicht besonders schwer, da ich schon seit Jahren genau darüber Buch führe und daher genau über meine Ausgaben Bescheid weiß – sogar die jährlichen, die man gerne mal vergisst.
Auch beim Businessplan ging es sozusagen seelisch ans Eingemachte: Ich musste genau erklären, was ich vorhabe, weswegen ich das tun will, und ob ich dafür qualifiziert bin. Ehrlich: Ich schäme mich, wie schwer es mir fiel, mein eigenes Vorhaben in Worte zu fassen. Gerade mir hätte das locker-flockig aus der Feder fließen müssen – es war aber so ähnlich wie Bewerbungsanschreiben verfassen, da kam ich mir auch immer dämlich vor. Leichter ist es, sich vorzustellen, man schreibe es für eine andere Person. Vielleicht nicht mal unbedingt für eine Freundin, sondern jemanden, der einen dafür bezahlt. Dann geht das.
Dabei musste ich nicht mal komplett von Null anfangen, denn von Herrn W. bekam ich Vorlagen für den Businessplan und den Finanzplan, die ich einfach nur umsetzen bzw. ausfüllen musste. Wir haben uns mehrere Male getroffen, meine Pläne besprochen und am Businessplan poliert, bis die Unterlagen abgabereif waren – inklusive der Tragfähigkeitsbescheinigungen.
Was ich von der Beratung nicht erwartet hätte: Es ging nicht nur um die Existenzgründung, die Tragfähigkeitsbescheinigung und den angestrebten Zuschuss, ich bekam auch viele gute Tipps für „danach“ – Kundenakquise, Tätigkeitsfelder, Kooperationen … wirklich gute Ratschläge, die ich mir alle notiert habe und an die ich mich halten werde.
Was lernen wir daraus?
Sucht euch die/den richtige/n Berater/in. Es zählt nicht nur, ob die sich mit der Existenzgründung auskennen, und mit eurer Branche vertraut sind, sondern ihr müsst auch gut mit ihnen zusammenarbeiten können. Im Zweifelsfall könnt ihr euch an andere Experten wenden. Das verzögert die Existenzgründung vielleicht um ein paar Tage oder Wochen, aber ich glaube, die bessere Zusammenarbeit macht das wieder wett.
Am Freitag geht es weiter mit näheren Informationen zum Finanzplan.