Ich weiß nicht, ob es “den Traumjob™” überhaupt gibt. Früher war es immer mein Traum, eine Stelle bei der Cosmopolitan oder der Elle zu haben. Ich hätte dann – so meine Vorstellung – mit der Unterstützung dieser ehrwürdigen Institutionen das Leben unserer Leserinnen unterhaltsamer und besser gemacht.
Zu anderen Zeiten war der Traumjob dann “egal was, nur weg von hier”, inzwischen hat es sich auf “Schreiben & Social Media” verfestigt. Social Media spricht mich natürlich an, weil es schon vom Grundkonzept her kommunikativ ist. Dass ein ständiger Dialog mit meiner Umwelt für mich lebenswichtig ist, habe ich relativ spät gemerkt, nämlich im Studium. Ich dachte ja immer, im stillen Kämmerlein sitzen und lesen und schreiben sei genau mein Ding und ich deswegen für das universitäre Leben perfekt geeignet sei. There is so much wrong with this sentence, I don’t even know where to begin.
Sagen wir es so: Die Uni war nicht genau mein Ding. Lesen und Schreiben dafür umso mehr.
Viele Jahre und mehrere Arbeitsstellen und Arbeitgeber später weiß ich immerhin, dass ich mich auf so gut wie jedes Thema einlassen kann. Lokalpolitik. Basketball in der Kreisliga. Kinderpsychiatrie. Anime. Sammelkartenspiele. Medizin. Kinderwunsch. Weihnachtsbräuche. Apfelkuchenrezepte. Recruiting für den Anlagen- und Kraftwerksbau. Geht alles.
Schön wäre es, wenn ich über Themen schreiben könnte, die mich interessieren. Spoilerwarnung: Von den vorhin genannten Themen sind nur wenige dabei. Was interessant ist: Nagellack. Ernährung. Keine Diät. Kochen. Wohnen. Social Media. Freundschaft. Bücher. Menschen. Das Leben.
In den letzten Jahren habe ich auch Jobs angenommen, die ich nicht wirklich leidenschaftlich gern haben wollte, die ich aber nehmen musste. Weil Hartz IV drohte. Weil ich nicht arbeitslos sein wollte. Weil ich Geld verdienen wollte. Weil ich mich ohne Job leer und hohl fühle. Weil ich es mag, wenn ich etwas gut mache und weil ich stolz auf meine Leistung sein will.
Vielleicht sollte ich dieses Mal die Jobsuche also anders angehen, und mir überlegen, was ich wirklich will, genauer gesagt: Was ich von meinem Arbeitgeber erwarte.
In einer revolutionären Neuerung auf dem Arbeitsmarkt und gestählt durch jahrzehntelange Erfahrung mit Psychotests aus Frauenzeitschriften habe ich deswegen eine Liste mit Kriterien angelegt, die für mich persönlich wichtig sind. Sozusagen das Arbeitgebergegenstück zum Personalfragebogen.
1. Unternehmensgröße/-alter*
a) Ganz kleine Bastelbude/Start-up
b) Mittelständisches Unternehmen mit Tradition
c) Wir sind ein Weltkonzern!
2. Standort
a) Ganz weit weg
b) München bzw. mit öffentlichen Verkehrsmitteln gut zu erreichen
c) Neuburg/Ingolstadt ODER Home-Office ist zumindest tagesweise möglich
3. Zahlungsmoral
a) Sie müssen uns oft daran erinnern, Ihr Gehalt zu zahlen
b) Geld komm manchmal erst während der zweiten Woche des Folgemonats
c) Wir bezahlen automatisch und ohne weitere Aufforderung, pünktlich am letzten Arbeitstag des Monats
4. Gehalt
a) Sie waren vorher arbeitslos, bekommen wir da keinen Eingliederungszuschuss?
b) Wir zahlen im ersten Jahr Betrag X, danach können wir ja gegebenenfalls neu verhandeln. Sie haben zwar viel Erfahrung, gute Qualifikationen und tragen hier viel Verantwortung, aber mehr hat Ihre Vorgängerin auch nicht bekommen.
c) Wir bezahlen nach Tarif.
5. Einstellung zu Betriebsrat/Gewerkschaften
a) Betriebsräte sind die Feinde des Unternehmers; Gewerkschafter werfen wir direkt raus
b) Wir haben (noch) keinen Betriebsrat
c) Wir haben selbstverständlich einen Betriebsrat/bei uns gilt ein Tarifvertrag/wir stehen Gewerkschaften positiv gegenüber
6. Frauenquote
a) Eine Frauenquote verletzt unsere unternehmerische Freiheit und diskriminiert unsere männlichen Mitarbeiter.
b) In unserer Branche tun wir uns schwer damit, qualifizierte Frauen zu finden.
c) Bei uns liegt die Frauenquote quer durch alle Unternehmensbereiche und Ebenen schon bei rund 30 %; wir wollen das noch ausbauen.
7. Sexismus**
Fallbeispiel: Kollege macht sexistische Bemerkungen gegenüber der Auszubildenden
a) “Ach, das ist der XYZ, der ist halt so”
b) “Das müssten Sie schon persönlich mit dem XYZ besprechen, wenn Sie das stört. Aber vielleicht sollten Sie das einfach entspannter sehen, es geht ja noch nicht mal um Sie.”
c) “So ein Verhalten verstößt gegen unsere internen Verhaltensregeln und führt mindestens zu einem Mitarbeitergespräch, vielleicht auch zu einer Abmahnung. Sie können sich in solchen Fällen an unseren Betriebsrat wenden.”
8. Handhabung von Personalangelegenheiten und allgemeiner Korrespondenz
a) Das macht bei uns jemand, der dafür keine Ausbildung hat und sich auch nicht auskennt. Ist ja nicht so wahnsinnig wichtig. Die Briefe tippt der Azubi, oder wer eben sonst grad mal Zeit hat.
b) Wir haben keine eigene Personalabteilung. Bei uns kümmert sich eine einzige Person im Großraumbüro nebenher um alle Personalangelegenheiten. Die Korrespondenz wird von der Assistenz der Geschäftsleitung verfasst.
c) Unsere Personalabteilung kümmert sich um Arbeitsverträge, Sozialversicherung usw. Wir achten auch in unseren Briefen an Mitarbeiter auf Rechtschreibung. Datenschutz ist selbstverständlich.
9. Bonusrunde: Kaffee kochen
a) Sollten Sie bei uns können, und die Kaffeemaschine müssen Sie auch reinigen, entkalken, oh, und den Kaffee können Sie doch auch kaufen, Sie kommen doch sowieso immer am Laden vorbei. Das gilt auch, obwohl Sie selbst keinen Kaffee trinken.
b) Wir haben einen Vollautomaten.
c) Wenn Sie keinen Kaffee mögen – wir haben auch Tee. Geschirr kommt in die Spülmaschinen, unser Reinigungsteam kümmert sich um Kaffee- und Spülmaschine.
Sie suchen eine Online- oder Printredakteurin oder jemanden für Ihr Social-Media-Team? Sie erkennen sich in diesen Beschreibungen wieder? Wunderbar. Wenn auf Sie und Ihr Unternehmen hauptsächlich Punkte der Kategorie C zutreffen, dann nehmen Sie bitte Kontakt mit mir auf (kontakt@alexandrapreis.de). Sie haben vor allem Treffer in der Kategorie B? Da können wir auch drüber reden. Sie haben fast nur A-Punkte angekreuzt? Dann sind Sie leider noch nicht der ideale Arbeitgeber.
Kinder, das macht Spaß. Ich glaube, ich lasse mir meine Wunschliste patentieren!
*Es geht mir hier nicht um Prestige, sondern vielmehr darum: Ich möchte nur ungern für ein Unternehmen arbeiten, das durch den Wegfall eines einzigen Kunden so ins Trudeln kommt, dass damit mein Arbeitsplatz gefährdet wird.
**Gilt selbstverständlich auch für Rassismus etc. Ich habe keine Lust, meine Arbeitskraft für Leute zu verplempern, die so etwas für Lappalien halten.
Ein Gedanke zu „Der Traumjob“